Gedanken zum Reformationstag
Am 31. Oktober hört man vielerorts das Klopfen von Kinderhänden an Haustüren – doch Martin Luther war der Erste, der an diesem Tag wirklich geklopft hat. Mit seinem Hammer und 95 Thesen wollte er in Wittenberg keine Süßigkeiten erbeuten, sondern eine ehrliche Diskussion über den Glauben anstoßen. Und siehe da: das Ereignis lieferte Gesprächsstoff für Jahrhunderte.
Der Reformationstag zeigt, dass gute Fragen manchmal mehr bewegen und brauchen als schnelle Antworten. Luther wollte keine neue Kirche gründen, sondern eine alte wachrütteln. Und irgendwie tut uns das bis heute gut: ein kleiner Stoß mit dem Hammer gegen unsere Denkgewohnheiten, ein kräftiges „Allein aus dem Glauben! Allein aus Gnade!“ gegen Bequemlichkeit und Gleichgültigkeit.
Also: Wer am Reformationstag an Türen klopft, bekommt im besten Fall beides – Süßes und Nachdenkliches. Denn Reformieren geschieht noch heute mit Freude, Glauben und einem Augenzwinkern.
Lena Gleußner, Pfarrerin
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Alle sprechen eine Sprache, wenn ein Mensch den andern liebt
Gedanken zu Pfingsten
Wer am Pfingstsen zum Gottesdienst geht, wird bestimmt das Lied singen, aus dem diese Zeile stammt. „Alle sprechen eine Sprache, wenn ein Mensch den andern liebt.“
Wer am Pfingsten zum Gottesdienst geht, wird bestimmt auch die Pfingstgeschichte hören. Vielleicht wird auch die Geschichte vom Turmbau zu Babel vorgelesen. Sie wissen: Die Geschichte mit der Verwirrung der Sprachen und der Zerstreuung der Völker in alle Welt. Oder wird auch die Vision vom Propheten Hesekiel vorkommen. Die Vision mit den Knochen und Gebeinen, die durch den Geist Gottes wieder lebendig wurden.
Wunderschöne Lieder und unglaubliche Geschichten kommen an Pfingsten vor, die uns zeigen, es gibt eine belebende und bewegende, tröstende und Hoffnung gebende Kraft von oben.
Von Gott, unserm Vater.
„Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen.
Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in anderen Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen.
Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde bestürzt; denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden.“
Eine unglaubliche Szene aus dem zweiten Kapitel der Apostelgeschichte. Hier kommen Menschen zusammen, die unterschiedliche Sprachen sprechen und sie verstehen sich auf einmal, als der Geist Gottes in den Raum und in ihr Leben hineinweht.
Man könnte auch so formulieren: Sie fingen an, eine gemeinsame Sprache zu sprechen, nachdem sie vom Geist Gottes berührt waren. Und sie fingen an nicht in zwei Tagen oder in einer Woche oder in einem Monat. Nein, sie fingen sofort an, einander zu verstehen. Und alles, was sie sagten, war verständlich, auch wenn sie unterschiedlicher Herkunft oder Muttersprache oder Lebenserfahrungen waren.
Als die Jünger in ihrer eigenen Sprache über Gott redeten, haben es alle verstanden. Und sie alle waren überrascht und verwundert.
In Einheit. In Einigkeit. Einander verstanden. Als wären sie alle ein Leib gewesen. Als wären sie alle eins gewesen. Als wäre die einfachste und selbstverständlichste Sache im Leben, dass Menschen sich gegenseitig verstehen.
In der Wirklichkeit wissen wir aber alle, dass das gar nicht so einfach und selbstverständlich ist. Einander zu verstehen ist weder in der Familie noch im Freundeskreis, weder in der Gemeinde noch auf der Arbeit, weder in unserer Gesellschaft noch zwischen den Völkern leicht. Das führt auch dazu, dass noch heute Kriege ausbrechen und Völker gegeneinander kämpfen.
Aber das, was am Pfingsttag geschehen ist, kann uns Hoffnung geben. Hoffnung auf Veränderung. Hoffnung auf eine gemeinsame Sprache – trotz Unterschiedlichkeiten. Hoffnung auf die Sprache der Liebe.
„Schenke uns von deiner Liebe, die vertraut und die vergibt. Alle sprechen eine Sprache, wenn ein Mensch den andern liebt.“
Gott möge uns geben, dass wir die Sprache der Liebe sprechen, als wäre sie Muttersprache unser aller auf der Welt.
Amen.
Eszter Manke-Lackner, Pfarrerin